Eine Feier ohne Kathi

Es ist das Los der Superleichten im Judo, auch Ludwig „Lupo“ Paischer, Österreichs Olympia-Silbermedaillengewinner von Peking 2008 bis 60 Kilo, kann ein Lied davon singen – sie kommen am ersten Tag der Judo-Bewerbe dran, einen Tag nach der Eröffnungsfeier. Und so muss auch Katharina Tanzer, unsere erste auf der Tatami in der Champ de Mars-Arena, auf das Spektakel an der Seine verzichten. Im ersten Teil der Serie „Unsere 6 in Paris“ porträtieren wir die gebürtige Niederösterreicherin, die bei der WM in Abu Dhabi vom Regen in die Traufe kam. Dank eines Sieges von Aaron Fara ist die noch 28-Jährige in der Klasse bis 48 Kilo doch noch dabei …

Es wäre vermessen, von Katharina Tanzer bei ihren ersten (und womöglich letzten) Olympischen Spielen eine Platzierung, geschweige denn eine Medaille, zu erwarten. „Aber ich will und werde mein Bestes geben, in einem oder hoffentlich zwei Kämpfen“, sagt die Scheibbserin, die in ihrer Studienzeit in Wien auch für Vienna Samurai kämpfte und dann zu SU Noricum Leibnitz wechselte. Bei der WM in Abu Dhabi war Kathi am Boden zerstört. Ihr frühes Ausscheiden schien auch den Traum von Olympia abrupt beendet zu haben. Die Heeressportlerin weinte und war einige Minuten nicht ansprechbar. Mehr als 2.000 Trainingseinheiten (trotz chronischer Hüftschmerzen) und 27 Turnier-Teilnahmen in der Qualifikationsphase hatten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Mir taten alle leid, die so viel Energie in meine (Olympia-) Vorbereitung gesteckt hatten, vor allem mein Heimtrainer Hupo. Niemand hat jemals so an mich geglaubt wie er. Hupo hat wegen mir sogar seine Trainer-Pension für drei Jahre aufgeschoben“, erzählt Kathi.

„Hupo“, das ist der frühere ÖJV-Nationaltrainer Hubert Rohrauer, der bei den Spielen 2004 in Athen die unvergessene Claudia Heill zu Olympia-Silber geführt hatte, sich jetzt mit großem Engagement um Tanzer kümmert. „Mein Olympia-Ticket ist das perfekte Abschiedsgeschenk für ihn. Hupo wird nach den Spielen endgültig seine Karriere als Trainer beenden.“ Der 67-jährige wird aber in Paris – wie übrigens auch Kathis Familie – nicht dabei sein. Rohrauer muss sich in diesen Tagen einer längst fälligen Hüftoperation unterziehen.

Dass die Nummer 40 im IJF-Ranking über den Europa-Quotenplatz die Olympia-Qualifikation doch noch schaffte, ist Aaron Fara zu verdanken, der am letzten WM-Tag durch seinen Auftaktsieg in der Klasse bis 100 Kilo fix in die Quote kam. Ansonsten hätte Fara den kontinentalen Platz erhalten, wäre Österreich auch nicht für den Mixed-Bewerb qualifiziert gewesen, in dem übrigens Tanzer noch einmal auf die Matte steigt. Das alles dann übrigens schon als 29-Jährige. Denn am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele hat Kathi Geburtstag. Doch, wie eingangs erwähnt: Es wird eine Feier ohne Katharina Tanzer. „Das holen wir dann nach“, lacht sie. Aber gern, liebe Kathi!

Zur Person

KATHARINA TANZER, Gewichtsklasse: Super-Leichtgewicht, – 48 kg (27. Juli). Alter: 28 Jahre (geboren 26. Juli 1995), Verein: SU Noricum Leibnitz/ST, Wohnort: Scheibbs/NÖ, 4 EM- und 3 WM-Teilnahmen, bisherige Olympia-Teilnahmen: 0. Graduierung: 1. Dan; Sportliche Erfolge: aktuelle Nr. 40 im IJF-Ranking, zwei Grand-Slam-Podestplätze (2. Baku 2021, 3. Tiflis 2022), Kampf-Bilanz 2024: 16 Kämpfe, 6 Siege (3 x I, 1 x 2 W, 2 x W), 10 Niederlagen (9 x I, 1 x W).

Morgen – Teil 2: „Lulu – die neue Heimat“ – Porträt Lubjana PIOVESANA

Foto: Katharina TANZER (blauer Judogi) ist Österreichs erste Judoka bei Olympia in Paris - @Judo Austria / Oliver Sellner

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