Das Warten auf Shamil

2021 hatte er in Tokio Olympia-Bronze geholt, danach noch WM- und EM-Bronze – aber seit Ende April des Vorjahres ist es, zumindest auf der Matte, ruhig geworden um Shamil Borchashvili. Die Aktion mit dem von seinem Familienrat beschlossenen Olympia-Verzicht zugunsten seines Bruders Wachid hat dann für Schlagzeilen gesorgt. Im November hörte Wachid auf, und Shamil sagte im „Krone-TV“, er wolle 2025 Weltmeister werden. Doch Borchashvili ist weder beim derzeitigen Trainingscamp in Paris noch beim Grand Slam in Baku dabei – das Warten auf Shamil …

Vor gut neun Monaten war noch alles eitel Wonne. Denn am 26. April 2024 stand Shamil Borchashvili nach Olympia 2021 und der WM 2022 zum dritten Mal als Dritter der EM in Zagreb auf dem Podest eines Großereignisses. Alles deutete darauf hin, dass der als Elfjähriger von Tschetschenien nach Österreich gekommene junge Mann knapp drei Monate später in Paris seine Olympia-Medaille von Tokio verteidigen würde. Doch Shamil sagte, weil er sich nicht in Form fühlte, zunächst für die WM im Mai in Abu Dhabi – wo sein Wiener Ersatz Bernd Fasching sensationell Siebenter bis 81 Kilo wurde – ab, ehe er den Beschluss des Familienrates bekanntgab: Verzicht auf Olympia, Bruder Wachid solle nach Paris fahren. Das war letztlich möglich, weil am Ende der Olympia-Qualifikation Shamil Neunter und sein Bruder 19. im Ranking war und dieser durch Shamils Verzicht automatisch in die Fix-Quote der Top 18 vorrückte. Aber schwierig für den ÖJV – soll man eine private Entscheidung und nicht die der Cheftrainerin Yvonne Snir-Bönisch akzeptieren? Keinen von beiden nach Paris lassen (was sich wohl negativ auf die Förderungen an den ÖJV ausgewirkt hätte)? Sperren? Jedenfalls liefen die Handys heiß – am Ende des Tages akzeptierte man die Olympia-Entsendung von Wachid, der dann bei den Spielen in der zweiten Runde bis 81 Kilo gegen den späteren Olympia-Zweiten Tato Grigalashvili (GEO) ausschied.

Und nach Olympia? Shamil fehlte auch beim Final Four in Gmunden, wo die Welser im Finale gegen die Galaxy Tigers aus Wien knapp 3:4 unterlagen. Mit einem Borchashvili wäre vielleicht mehr drin gewesen. Shamil initiierte in dieser Zeit hingegen einen Workshop zur Förderung von Judotalenten. Und der 26-Jährige, der übrigens in Wels mit seinen Brüdern Wachid und Kimran einen eigenen Kampfclub („Combat Borchashvili“) gründete, sagte auch, er wolle Weltmeister 2025 werden. „Bronze habe ich schon, Finale ist mir egal, ich will nur Gold.“ Aber dafür muss er schon bald bei internationalen Turnieren anschreiben. Doch Shamil, der im IJF-Ranking von 9 auf 21 zurückfiel und vom mittlerweile judomüden Wachid überholt wurde, ist in zwei Wochen in Baku nicht dabei. Wann dürfen wir Shamil wieder siegen sehen?

Beim zweiten Grand Slam-Turnier des Jahres in Baku (14. bis 16. Februar) sind fünf der zehn ÖJV-Starter Judoka aus Wien. Jacqueline Springer (bis 48 kg / Vienna Samurai) bzw. zwei Gewichtsklassen-Duelle bei den Männern: Bis 81 Kilo Bernd Fasching und Magamed Borchashvilli, über 100 Kilo Movli Borchashvilli (alle Allianz Kukla Ganaly Tigers) und Stephan Hegyi (SC Hakoah). Sie alle sind derzeit und noch bis Mittwoch beim Trainingslager in Paris.

Foto: Shamil BORCHASHVILI (blau), wie wir ihn kennen - wann sehen wir ihn wieder siegen? - @IJF Media

Ähnliche Beiträge

  • Heißer Nachwuchs-April

    Wenn wir von einem „heißen April“ für unseren Judo-Nachwuchs sprechen, hat das (ausnahmsweise) nichts mit dem Klimawandel zu tun. Denn gleich nach Ostern geht es für unsere jungen „Mattenfüchse“ in einige wichtige Turniere. Zur Vorbereitung darauf traf man sich zu einem Trainings-Lehrgang in Linz, bei dem die neue Landestrainerin Lisa Aberger zahlreiche Wiener Judoka (siehe…

  • Sieben Wiener beim GP

    33 Judoka hat ÖJV-Headcoach Yvonne Snir-Bönisch für den Heim-Grand Prix vom 7. bis 9. März in der Linzer TipsArena nominiert, sieben davon kommen aus Wien. Eine, die auf dem besten Weg zur internationalen Spitze war, fehlt aber: Laura Kallinger vom Judoring Wien (bis 57 Kilo) – sie hat sich im Jänner beim Mittersill-Training verletzt und…

  • Warten auf Magda

    Österreichs Judo-Star Michaela Polleres gibt am Sonntag beim Grand Slam in Tokio nach 494 Tagen ihr internationales Comeback, eine andere bastelt daran – Magdalena Krssakova hat eine noch längere Pause als die zweifache Olympia-Medaillengewinnerin und will im März 2026 neu durchstarten. Denn die 31-jährige Wienerin hat noch ein Ziel: Olympia 2028 … Als Magda im…

  • European Open und WM U21

    Ab dem Wochenende wird es für die ÖJV-Auswahl actionreich. Am Samstag (30.09.) beginnt in Prag (CZE) das European Open und ab Mittwoch (04.10.) starten in Odivelas (POR) die Junioren-WM. In Prag gehen 491 Judoka aus 43 Nationen an den Start, darunter auch 17 Athletinnen und Athleten aus Österreich. In Odivelas sind es 576 Judoka aus…

  • „Lupo neu“ – Trainer in Linz

    In Linz beginnt´s – das gilt auch für das neue Judo-Jahr. Beim traditionellen „Neujahrskurs“ ist auch ein alter Bekannter dabei, noch dazu in ungewohnter Rolle: Ludwig „Lupo“ Paischer, Österreichs Olympia-Silberner von Peking 2008, verbringt die Feiertage daheim in Österreich und beehrt den Lehrgang kurzzeitig als Trainer. Von Oberösterreichs Metropole geht es, auch für viele Wiener…

  • 8 neue Dan-Träger

    Vergangenen Sonntag (15.12.) fand in Wimpassing (NÖ) die letzte Dan-Prüfung des heurigen Jahres statt. Insgesamt waren 40 Kandidatinnen und Kandidaten angereist, um entweder ihren ersten, oder den nächst höheren Grad zu erwerben. Unter den strengen Blicken der Kommission, darunter Vanessa Wenzl, Brigitte Tiefnig, Matthias Heinrich und Kurt Molik-Haibl, waren auch einige Judoka aus Wien. Acht…