Sayonara – Teil 16

Hiroshi Takeuchi, einer der führenden japanischen Sportjournalisten, im Gespräch mit österreichischen Kollegen – von links: Wolfgang Eichler (ÖOC), Michael Kasper (ö3), Birgit Egarter (APA) und Florian Madl (Tiroler Tageszeitung) – am Rande der Judo-WM im Budokan

In nicht einmal mehr elf Monaten., am 24. Juli 2020, werden in Tokio die 32. Olympischen Sommerspiele eröffnet. Grund genug, dass wir uns im vorletzten Teil (16) unserer Serie „Sayonara“ mit dem Stand der Vorbereitungen auf Tokio 2020, mit den Besonderheiten und den Erwartungen der Japaner selbst beschäftigen.

TOKIO UND OLYMPIA – 142 Goldmedaillen hat Japan bei den bisherigen 31 Sommerspielen gewonnen, allein 39 davon im Judo, obwohl unsere Sportart erst seit 1964 im Programm ist (1968 einmal nicht, 1980 boykottierte Japan die Spiele in Moskau). Die Statistik zeigt, dass es bei den Spielen im Schnitt 3-4 japanische Judo-Olympiasieger gibt. 2004 in Athen waren es gar acht, 1988 in Seoul und 2012 in London nur je einer. Dennoch: Judo ist eine jener Sportarten, in denen die Hoffnungen der Japaner auf Gold ganz groß sind.

Bei einem Besuch von österreichischen Sportjournalisten im Rahmen einer ÖOC-Reise in der Woche der Judo-WM traf die Gruppe mit Hiroshi Takeuchi einen Mann, der als jahrelanger Sportjournalist bei der größten Nachrichten-Agentur des Landes, Kyodo News, auch der lokalen Organisation behilflich ist. „Vor zehn Jahren war die Stimmung in Japan noch nicht pro-Olympia, erst in den letzten Jahren freuen sich die Leute zusehends mehr und mehr auf die Spiele“, weiß Takeuchi. Die negative Einstellung kennen wir leider aus Österreich, wo zarte Versuche um Bewerbungen für Winterspiele mit zum Teil niederschmetternden Reaktionen aus dem Volk, aber auch von der Politik, quasi im Keim erstickt wurden. „Der Japaner hat erkannt, dass er von den Spielen vielleicht ganz persönlich etwas hat“, sagt der japanische Kollege. Seien es eine (noch) bessere Infrastruktur, seien es neue Wohnungen oder sei es einfach auch ein persönliches Geschäft, das Gewinn bringen kann.

Tokio ist für die Spiele 2020 gerüstet. ÖOC-Präsident Karl Stoss, der dieser Tage auch in Japan weilt, weiß: „Sie sind sogar ihrem Zeitplan voraus. Das werden sensationelle Spiele“, freut sich der österreichische Olympia-Chef. „Die Japaner sind unglaublich präzise, zielstrebig und halten sich auch an das, was vereinbart wurde.“ Die meisten Olympiastätten sind schon fertig, auch wenn man sie (noch) nur von außen anschauen kann. Etliche Großereignisse – wie eben die Judo-WM im Budokan – gelten als Test-Events. In zwei Wochen ist ein weiteres solches Ereignis – der Tokio Marathon. Die ganze Stadt sperren, das ist schon in Wien eine Herausforderung und hier in dieser pulsierenden 10-Millionen-Metropole wohl noch umsomehr.

Freilich hoffen die Japaner nicht nur auf Judo-Gold. Takeuchi: „Wir haben in einigen Sportarten wirklich gute Athleten, wie zum Beispiel kürzlich bei der Kletter-WM. Aber Judo ist für uns natürlich ein zentrales Thema.“ Im Programm für 2020 stehen auch – als Anerkennung für das Gastgeberland – zwei Sportarten, in denen japanische SportlerInnen Goldhoffnungen sind. Im Baseball (einem echten Massensport hier) und im Karate. Und, wenn man ein bisschen träumen darf: Vielleicht schnappt ja 2020 eine oder ein Judoka aus Österreich den Töchtern und Söhnen Nippons eine Goldene weg …

MORGEN, LETZTER TEIL: Auf zur nächsten WM – 2021 in Wien?

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