Am Mittwoch hat der ÖJV alle Vereine mittels Mitgliederbrief über folgenden Umstand und Vorgehensweise informiert:
Offensichtlich kam und kommt es bei diversen Veranstaltungen des Verbandes vor, dass Kämpferinnen und/oder Kämpfer am Wettkampfort einen Gürtel tragen, der von der Farbe nicht jenem Grad entspricht, dem sie selbst bei einer Prüfung erworben haben und auch im JAMA eingetragen ist.
Die Gründe dafür dürften vielfälltig sein. Tatsache ist, dass es weder dem Geist, noch den Werten des Judo entspricht, sich unaufrichtig zu verhalten. In den vom ÖJV veröffentlichen Judo-Werten sind unter anderem
- Ehrlichkeit
- Bescheidenheit
- Wertschätzung
- Respekt
angeführt. Das Vortäuschen eines höheren Grades widerspricht all diesen Punkten. Ein solches Verhalten ist nicht nur unehrlich, sondern zeugt von geringer Bescheidenheit, einer Geringschätzung und fehlendem Respekt gegenüber Anderen: “Man verkauft sie für dumm!”
Der ÖJV lässt daher wissen, dass im Falle eines ungerechtfertigten Tragens eines nicht rechtmäßig erworbenen Gürtels die/der Judoka disqualifiziert wird und zwar für den gesamten Bewerb.
Historischer Abriss
In den Anfangsjahren des Judo gab es die bunten Grade noch nicht. Es gab den Einführungsgrad (shôdan), einen mittleren Rang (chûdan) und einen oberen Rang (jôdan). Diese drei Ränge lösten das alte System von mokuroku, menkyô und kaiden ab. Im Kodokan wurde das Gradsystem als kyudan bezeichnet. Die Farben dieser drei Stufen waren weiß, braun und schwarz.
Während der Anfangsphase des Kodokan gab es viele Vergleichskämpfe mit den alten Ju-jitsu-Schulen der damaligen Zeit. Um die Mannschaften unterscheiden zu können, wurden rote und weiße Gürtel verwendet. Diese Farbkombination findet sich heute noch in unserem Graduierungssystem. Die Dan 6, 7 und 8 sind in rot-weiß gestaltet. In der heutigen Form gibt es die Farben schwarz, rot-weiß und rot erst seit 1930.
Die bunten Gürtel sind aber keine “Erfindung” des Kodokan. Ihr Urheber dürfte Mikonosuke Kawaishi gewesen sein. Er unterrichtete 1926 in den USA und ab 1936 in Frankreich. Er experimentierte mit unterschiedlichen Farbkombinationen. Schließlich blieb er bei gelb, orange, grün, blau und braun. In Europa setzte sich dieses System rasch durch und ab den 1950er Jahren auch in den USA. Und auch der Kodokan übernahm diese Farbscala.
So gab es nun fünf Kyu-Grade (kyû = Rang, Stufe), die Grade für Schüler (deshi) und zehn Dan-Grade (dan = Rang, Stufe), die Grade für Lehrer oder Meister (oshi bzw. sensei). Träger des 1. bis 4. Dan (Krigergrade) werden als yûdansha bzeichnet, jene ab dem 5. Dan als kôdansha (Grade gereifter Meister). Wobei der 1. bis 5. Dan mit den oben erwähnten jôdan (obere Stufe) verglichen werden können.
Das erklärt auch, dass es im Kyu-System leicht unterschiedliche Farben geben kann, sie wurden nicht wirklich festgelegt. Hingegen gibt es im Dan-System festgelegte Wertigkeiten.
Der japanische Philosph Daisetz Teitaro Suzuki wird bei Hölker folgendermaßen zitiert:
In Japan gilt die rein technische Beherrschung einer Kunst als nicht hinreichend, um einen Mann (Frau – anm. des Autors) wirklich zu ihrem Meister zu machen, sondern er muss zugleich tief in ihren Geist eingedrungen sein; dieser Geist aber ist dann erfasst, wenn sein Herz in vollkommenem Einklang mit dem Prinzip des Lebens selbst steht, wenn er den geheimnisvollen Seelenzustand erreicht hat, der als ‘Mushin’ oder ‘Nichtbewusstsein’ bezeichnet wird. Das heißt in der buddhistischen Ausdrucksweise: Überwindung der Zweiheit von Leben und Tod. An diesem Punkt mündet eine jede Kunst im Zen.
Und hier muss ich nochmals Jigoro Kano persönlich zitieren (siehe Dan-Ordnung), der sagt:
Die Entscheidung über eine Graduierung basiert auf dem Charakter der Judoka, den Fertigkeiten in Kata und Randori, dem Wissen über Judo, der Teilnahme am Judo-Training, den Ergebnissen im Judo (Wettkampf) usw.
Ich hoffe, dass sich jede/r Judoka ihrer/seiner Vorbildwirkung gegenüber Jüngeren bewusst ist, egal welchen Grad sie/er trägt. Als Graduierte/r hat sie/er immer gegenüber Jüngeren eine Verantwortung, die sich speziell in ihrem/seinem Verhalten ausdrückt.
Erwin Schön (Sportdirektor und Prüfungsreferent des ÖJV)