Die Weihnachts-Story

Wenn am Samstag bei der europäischen Klubmeisterschaft in Montpellier (FRA), die erstmals als Mixed-Bewerb ausgetragen wird, UJZ Mühlviertel als Österreichs Vertreter um den Titel mitkämpft, wird einer ein internationales Comeback feiern, der vor vier Jahren bei einem Arbeitsunfall fast sein Leben verloren hätte – Christoph Scheiblhofer, 22 Jahre jung, ist (fast) wieder der „alte“. Er schreibt heute unsere Weihnachts-Story …

Es war im Juli 2020, als im Chemiepark Linz durch einen Defekt am Rohr einer Ammoniak-Anlage ein 500 Grad heißer Luftstoß austrat und den damals 18-jährigen Christoph traf. Scheiblhofer, der zuvor schon österreichischer Nachwuchsmeister (U16 und U18) war, erlitt schwerste Verbrennungen, musste auf die Intensivstation und kämpfte dort um sein Leben. Das hing am seidenen Faden, denn Verbrennungsgrad und Alter addiert dürfen die Zahl 100 nicht überschreiten. „Ich hatte 85 Prozent Verbrennungen und war 18 Jahre alt – macht also 103.“ Zu viel zum Überleben, eigentlich. Aber Christoph war stark. Nicht nur im Judo, sondern auch in dieser prekären Situation. „Ich wollte noch nicht sterben!“ Diese Kraft, die der junge Mann am Krankenbett entwickelte, half mit, dass er doch überlebte. Sieben Wochen war er im Krankenhaus, sechs davon in der Intensivstation. Dort hielt er es nicht mehr aus – „ich wollte nicht mehr herumliegen, ich wollte mich bewegen, ich wollte zurück auf die Judomatte!“ Doch Geduld war oberste Priorität.

Zwei Jahre später konnte er wieder den Judogi überstreifen, beim Final Four 2023 kämpfte er sogar im Finale gegen Galaxy-Judoka Bernd Fasching, weil der angesagte belgische Legionär Matthias Casse nicht kam. Und jetzt, ein weiteres Jahr später, darf Christoph sogar wieder auf eine internationale Tatami. Er steht im Kader der Mühlviertler für die Klub-EM am Samstag in Südfrankreich. „Eigentlich ist das alles ein Wunder“, sagt Scheiblhofer, der im Jänner 25 Jahre wird. „Dass ich wieder schmerzfrei bin, dass ich wieder meinem geliebten Judosport nachgehen kann, dass ich wieder Spaß mit meinen Freunden habe – das alles erfüllt mich mit Glück.“ Egal, wie die Mühlviertler am Samstag in Montpellier abschneiden werden, ob Christoph kämpfen und gewinnen kann oder nicht, und was überhaupt seine zukünftige Judo-Karriere bringen wird – den größten Sieg seines Lebens hat er schon hinter sich …

Foto: Christoph SCHEIBLHOFER (weißer Judogi) beim Final Four - und jetzt folgt sein internationales Comeback! - @Judo Austria / Oliver Sellner

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