In freudvoller Erwartung waren im November 1980 fünf österreichische Judoka zur ersten Damen-WM nach New York gereist. Knapp eine Woche später kamen sie mit drei Goldmedaillen im Gepäck nach Hause. Es wurde die erfolgreichste Judo-WM in Österreichs Geschichte. Dank dem “Dreimäderlhaus” Edith Hrovat (bis 52 kg), Gerda Winklbauer (bis 56 kg) und Edith Simon (bis 66 kg). Der jetzige Landesverbands- und damalige ÖJV-Pressereferent Josef Langer erinnert sich, was es auch und vor allem abseits der Matte an “G´schichten und G´schichterln” gab …
Ich war schon vor Antritt der Reise aufgeregt. Es war mein erster Flug über den “großen Teich”. Das Lied “Ich war noch niemals in New York” von Udo Jürgens konnte ich somit nicht mehr singen. Mit KLM, der holländischen Fluglinie, ging es am Mittwoch nach New York. Auch das erste Mal in einem Jumbo-Jet, einer Boeing 747. Im Flieger haben sie den Film “Xanadu” mit Olivia Newton-John gezeigt. Am John-F.-Kennedy-Airport angekommen, langes Warten bei der Immigration. Endlich, am späten Abend, im Hotel. Im New York Statler Hilton (heute heißt es Pennsylvania) in der 7th Avenue, direkt gegenüber dem riesigen Madison Square Garden. Ein belebter Ort, weil mit der Pennsylvania Station auch ein großer Bahnhof unter der Eventhalle täglich von rund 600.000 Menschen frequentiert wird. Noch dazu war es der Abend vor Thanksgiving. Das US-amerikanische Erntedankfest, immer am letzten Donnerstag im November quasi ein Feiertag der Amis, warf seine Schatten – und Töne – voraus. “Da wurde zwei Tage lang bis Mitternacht und noch später auf der Straße, direkt unter unseren Zimmern musiziert”, erinnert sich Ernst Raser, der damalige ÖJV-Nationaltrainer der Damen und heutige Präsident des Judo-Landesverbandes Wien. “Wir alle konnten einfach nicht schlafen.”
Nicht so richtig schlafen konnte auch ich. Man hat mich in ein Dreibettzimmer eingeteilt, mit zwei unvergessenen Größen des Judosports. Robert Jacquemond, Europameister 1952 und Chef des Polizei-SV Wien, und Kurt Domschitz, der Privatchauffeur des damaligen und ebenso unvergessenen ÖJV-Präsidenten Kurt Kucera. Ich musste jeden Tag die Medien in der Heimat informieren. Die APA (Austria Presse Agentur), die “Krone” und den KURIER sowie das Ö3-Radio. Die wollten aber bis spätestens Mittag ihre Berichte, die ich mangels Internet, Smartphone und Fax damals in einem Telex-Office via Fernschreiber nach Wien übermitteln musste. Was, bedingt durch die zeitliche Differenz von minus sechs Stunden, für mich hieß: spätestens um halb 5 Uhr in der Früh Tagwache! Und wie weckte mich der liebe “Jacqui” auf? Er warf mich einfach aus dem Bett – da war ich dann putzmunter …
Der Madison Square Garden, den sie in New York nur “The Garden” nennen. Eine Riesenhalle für 20.000 Leute bei Konzerten und Sportevents. 1971 boxte hier Muhammad Ali erstmals gegen Joe Frazier. Heute finden in der Riesenhalle Eishockey- und Basketballspiele der NHL bzw. NBA statt. Jahre nach dieser ersten Judo-WM der Damen habe ich solche Spiele gesehen. Ähnlich wie die Wiener Stadthalle verfügt auch der Garden über eine kleinere Halle, in die aber immer noch 5.000 Leute passen. Dort waren die Matten aufgelegt, auf die 153 Judoka aus 28 Nationen stiegen. Für eine WM-Premiere eine beachtliche Zahl. Und dann ging´s los – mit dem ersten Gold für Österreich am Samstag (Simon) sowie zwei und drei am Sonntag (Hrovat, Winklbauer). Österreich war die beste Nation dieser WM.
An zwei Dinge während der beiden Wettkampftage in der Halle kann ich mich noch gut erinnern. Als Edith Simon Gold geholt hatte und zur Siegerehrung gebeten wurde, schaltete ich ein vom Ö3-Radio für meine Berichte zur Verfügung gestelltes Tonbandgerät ein und wollte, sozusagen als Beweis, während der Bundeshymne meine Reportage beginnen. Dazu kam es nicht – da ich neben Präsident Kucera stand und plötzlich seinen Ellbogen in meinen Rippen spürte und seine Worte hörte: “Halt die Gosch´n bei der Hymne!” Ich hatte noch ein paar Tage Rippenschmerzen … Die zweite Begebenheit: Nach Hrovats WM-Titel wurde die Leobnerin von einem US-TV-Sender interviewt. Da Edith, zumindest damals, der englischen Sprache nicht mächtig war, stellte sich Raser als Dolmetsch zur Verfügung. Daraus entstand folgender Dialog vor laufender Kamera:
Raser: “Der Reporter hat dich gefragt, was du zu deinem Erfolg sagst.”
Hrovat: “Und was soll ich jetzt sagen?”
Raser geistesgegenwärtig zum Reporter: “She is very happy”
Eine der vielen unvergessenen Anekdoten. Als es am Montag Abend heimging und wir am JFK-Airport ankamen, rief mir Präsident Kucera beim Check-In zu: “Joe, da ist ein Paket für dich!” Völlig verdutzt öffnete ich eine Schachtel. In dieser befanden sich 16 KLM-Taschen (je eine für alle der Delegation) und eine Vielzahl von “Krone”- und KURIER-Ausgaben mit den aktuellen Berichten. Kurioserweise, da ich ja alle beliefert hatte, stand in beiden Zeitungen: “Josef Langer berichtet aus New York”. Zehn Jahre später begann ich als Journalist in der “Krone” … Damit aber noch nicht genug. Wir wurden von KLM in die VIP-Lounge des Flughafens eingeladen, und als wir – wieder – im Jumbo nach Amsterdam saßen, gratulierte der holländische Kapitän den österreichischen Judodamen zu dreimal WM-Gold. Der ganze Flieger applaudierte – wie auch eine große Schar an Ehrengästen in Wien-Schwechat. Und das brachte noch einmal ein Bild auf fast allen Titelseiten.
Doch eines bleibt mir im Zusammenhang mit der WM in ewiger und emotionaler Erinnerung. Eine Woche nach unseren Triumphen wurde mit John Lennon in New York nicht nur ein Ex-Beatle erschossen, sondern einer der größten Musiker aller Zeiten. Der, übrigens passend zu Damen-Judo, auch das Lied “Woman” geschrieben hatte. Die Erinnerung an 40 Jahre erste Damen-Judo-WM ist eine Woche später untrennbar auch an “40 Jahre Ermordung John Lennons” verbunden. Und das macht traurig …
Foto oben: Eröffnungsfeier bei der ersten Damen-Judo-WM 1980 im New Yorker Madison Square Garden. - @privat
Foto unten: Nach der Ankunft in Wien gab es Jubel um unsere Gold-Girls - das Foto war dann auch tags darauf auf der Titelseite der "Kronen Zeitung"