40 Jahre „Goldenes Dreimäderlhaus“

An diesem Wochenende jährt sich zum 40. Mal jenes Ereignis, das mit dreimal Gold zur erfolgreichsten Weltmeisterschaft im österreichischen Judosport wurde. Bei der ersten Damen-WM in New York eroberten die Wienerinnen Gerda Winklbauer (bis 56 Kilo) und Edith Simon (bis 66 Kilo) sowie die Steirerin Edith Hrovat (bis 52 Kilo) drei WM-Titel für Rot-Weiß-Rot. Wir erinnerun uns zurück an das „Dreimäderlhaus“, das mittlerweile in die Jahre gekommen ist und bereits die wohlverdiente Pension genießt.

Es war am Wochenende 29./30. November 1980, Samstag und Sonntag. Die erste Damen-WM. Ein Riesenerfolg, für den zwei Mitstreiter verantwortlich waren. Die US-Amerikanerin Rusty Kanogoki und der jetzige Wiener Judo-Präsident Ernst Raser, der damals ÖJV-Nationaltrainer für die Damen war. Diese beiden sind quasi die „Eltern“ des weltweiten Damenjudo, das dann 1988 in Seoul als Vorführbewerb und erstmals 1992 in Barcelona regulär ins olympische Programm aufgenommen wurde. Fünf ÖJV-Athleten waren nach New York gereist. Neben Hrovat, Winklbauer und Simon noch die Mühlviertlerin Herta Reiter, die bis 61 Kilo starke Fünfte wurde, und die Salzburgerin Gerti Kranzl, die bis 72 Kilo leider ausschied. „Wir haben damals nur die Kämpferinnen mitgenommen, von denen ich mir auch eine Medaillenchance erwartet hatte. Dass es dann dreimal Gold würde, hätte ich als Optimist nicht erwartet“, sagt Raser.

Und so war es gleich am ersten WM-Tag eine Riesensensation, dass die erst 19-jährige Simon ganz oben auf dem Podest stand. Simon hatte vor der WM vier große Turniere, darunter jenes in London, gewonnen und war von Raser nominiert worden. In einer Nebenhalle des Madison Square Gardens, in die aber auch 5.000 Zuschauer passten, schlug Edith eine Favoritin nach der anderen, darunter auch die französische Gold-Favoritin Catherine Pierre. Und plötzlich stand die Judoka des JGV Schuh Ski (Klub von Raser) im Finale, das sie gegen die Britin Dawn Netherwood auch mit Ippon gewann. Weltmeisterin! „Es ist einfach optimal für mich gelaufen“, sagt Edith Simon heute. „Mit einer Medaille hatte ich damals schon spekuliert, aber dass es Gold wurde – Wahnsinn!“ Simon, die später noch zweimal Europameisterin wurde (1982 in Oslo bis 66 Kilo und in der Allkategorie) und dann wegen einer schweren Knieverletzung ihre Karriere beenden musste („ich wurde insgesamt sieben Mal operiert“), genießt heute den Ruhestand. Nach ihrer Judo-Karriere lebte sie einige Jahre in Columbus (USA), ehe sie nach Wien zurückkehrte, ihr Doktorat machte und als Histologin in einem Labor arbeitete. Sie ist – nach einigen Jahren, in denen es privat schwierig war – wieder mehr an Judo interessiert. „Ich habe mich sehr gefreut, dass Magda Krssakova vorige Woche EM-Silber in Prag geholt hat. Ja, ich verfolge das Judogeschehen, jetzt wieder, mit Interesse.“

Simons Gold nahm den anderen irgendwie die Last, unbedingt den Erfolg nach Hause bringen zu müssen. Und so stürmten am Sonntag Hrovat und Winklbauer „locker“ zu den WM-Titeln zwei und drei für Österreich. Auch die Steirerin räumte eine nach der anderen von der Matte, im Finale schlug sie die Japanerin Kaori Yamaguchi – es war übrigens die einzige Finalistin aus dem Mutterland des Judo. Da war die Freude bei der Leobner Politesse, die im Jänner 65 wird, groß. Und die Liebe zu ihrem Trainer Siegfried Kloibhofer wurde noch größer und größer. Später heirateten die beiden – heuer feierte Sigi übrigens seinen 70er. Und Edith Kloibhofer war die erste Gratulantin …

Und dann kam noch die „Würgerin von Stockerau“ pardon, Gerda Winklbauer. Damals noch ohne Doktor-Titel, aber die kleine Niederösterreicherin war auch für die Konsequenz abseits der Tatami bekannt. In Rekordzei machte sie ihr Medizinstudium fertig und arbeitete später als Ärztin für Allgemein-Medizin und als Internistin mit ihrem Mann in Stockerau. Die Frau Doktor, übrigens in der Vorwoche 65 geworden, erinnert sich: „Gegen die Britin Loretta Doyle in der Vorrunde war es knapp, da habe ich mit 2:1 Kampfrichterentscheid gewonnen. Aber sonst lief es einfach toll.“ Im Finale ging der Französin Marie Paul Panza im wahrsten Sinn des Wortes die Luft aus – und auch Gerda war Weltmeisterin! Das „Goldene Dreimäderlhaus“ in Rot-Weiß-Rot war perfekt! Übrigens Doyle. Die Britin hat sich auf der IJF-Seite an die WM 1980 erinnert – siehe: https://www.ijf.org/news/show/women-s-judo-the-pioneers-3

So wurde es perfekt, das „Judo-Wunder von Manhattan“. Österreich gewann die Medaillenwertung überlegen, denn Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, Italien und Belgien holten jeweils „nur“ einmal Gold. Raser zerpflückt dieses Erfolgs-Wochenende noch mehr: „Wien war mit zwei WM-Titeln ebenso vorn wie mein damaliger Klub JGV Schuh-Ski, da Gerda und Edith Simon bei mir im Verein waren.“ Kein Wunder, dass diese sprichwörtlichen Sternstunden (dreimal Gold in gut 24 Stunden) auch das absolute sportliche Highlight des damaligen Nationaltrainers und heutigen Wiener Judo-Präsidenten waren.

Morgen: Die Schmankerln um die Gold-WM 1980 in New York – Josef Langer, der damalige ÖJV- und jetzige JLVW-Pressereferent, erinnert sich an die knappe Woche in den USA.

Die Weltmeisterinnen 1980 New York

  • – 48 kg: Jane BRIDGE – GBR
  • – 52 kg: Edith HROVAT – AUT
  • – 56 kg: Gerda WINKLBAUER – AUT
  • – 61 kg: Anita STAPS – NED
  • – 66 kg: Edith SIMON – AUT
  • – 72 kg: Jocelyne TRIADOU – FRA
  • +72 kg: Margherita DE CAL – ITA
  • O p e n Ingrid BERGHMANS – BEL

Steckbriefe der ÖJV-Weltmeisterinnen

Edith KLOIBHOFER, geb. HROVAT – geboren am 15.1.1956 (64 Jahre) – Verein: PSV Leoben. – Trainer: Siegfried Kloibhofer. – Größte Erfolge: Weltmeisterin 1980, Vize-Weltmeisterin 1984 in Wien, 8 x Europameisterin (1975-1979, 1981-1982, 1984), Österreichs Sportlerin des Jahres 1984. – Beruf: Polizeibeamtin (in Pension).

Dr. Gerda WINKLBAUER – geboren am 20.11.1955 (65 Jahre). – Verein: JGV Schuh Ski. – Trainer: Ernst Raser. – Größte Erfolge: Weltmeisterin 1980, WM-Dritte 1984 in Wien, 5 x Europameisterin (1978-1981, 1983), Österreichs Sportlerin des Jahres 1983. – Beruf: Ärztin für Allgemein-Medizin (in Pension).

Dr. Edith SIMON – geboren 24.8.1961 (59 Jahre). – Verein: JGV Schuh Ski. – Trainer: Ernst Raser. – Größte Erfolge: Weltmeisterin 1980, 2 x Europameisterin 1982 in Oslo (bis 66 kg und Open). – Beruf: Histologin (in Pension).

Übrigens gibt es Samstag (18 Uhr) und Sonntag (11 Uhr) ein ca. anderthalbstündiges Webinar der IJF zum Thema „40 Jahre erste Damen-Weltmeisterschaft“ – etliche der damaligen Judoka sind dabei, Samstag auch unsere Weltmeisterin Dr. Edith SIMON – man kann auf You Tube zuschauen unter First Women’s World Judo Championships – 40th Anniversary Celebrations (Part 1/2) – YouTube

Foto oben: Unser "Goldenes Dreimäderlhaus" bei der Ankunft in Wien - von links: Edith Hrovat, Gerda Winklbauer und Edith Simon. @IJF/Archiv
Foto unten: Die Siegerehrung der Klasse bis 56 Kilo mit Gerda Winklbauer auf dem obersten Podest - dieses Foto war auch in internationalen Medien zu finden. @privat
Hier ein Video der IJF anlässlich des Jubiläums der 1. Weltmeisterschaften für Frauen.
Man kann darin auch einige Österreicherinnen erspäen. Viel Spass beim Ansehen!

Ähnliche Beiträge

  • Menschen im Judo

    Stephan Hegyi Im Rahmen unserer Serie „Menschen im Judo“ stellen wir heute einen jungen Judoka vor, der erst 16 Jahre ist, aber schon sehr erfolgreich – Stephan Hegyi vom SC Hakoah Wien, ist seit vergangenem Wochenende, seit seinem dritten Europacupsieg bei den Kadetten, in der Unter-18-Weltrangliste der IJF im Schwergewicht die neue Nummer 1! Lesen…

  • Trauer um „Mini“ Korner

    Die Judo-Familie trägt wieder Schwarz. Nur einen Monat nach Lutz Lischka, der im Jänner im 80. Lebensjahr verstarb, ist ihm nun Leopold Korner mit nur 65 Jahren – nach langem, schwerem Leiden – gefolgt. „Mini“, wie er allseits bekannt war und genannt wurde, war untrennbar mit dem Verein WAT Leopoldstadt bzw. danach Vienna Samurai verbunden….

  • |

    Hegyi: „WM-Fahrplan passt“

    Bei der EM in Minsk holte der 20-jährige Wiener Judoka Stephan Hegyi schon seine zweite EM-Bronzemedaille. Im Interview für judo-vienna.at spricht der Schwergewichtler über die EM-Kämpfe, über Superstar Teddy RINER und über seine Pläne bis zur WM und Olympia 2020. Kernaussage: „Der WM-Fahrplan passt!“ Stephan, zunächst herzliche Gratulation zur zweiten EM-Medaille. Wie war vor allem…

  • Der Meistermacher

    Am vergangenen Wochenende hatte er Grund zum Jubeln. Gerhard Redl, der Trainer der Judoka von WAT Stadlau, hatte seine Mannschaft mit dem 11:3 über die WSG Wattens zum Titel in der 2. Bundesliga geführt. In unserer Serie „Menschen im Judo“ stellen wir heute den 50-jährigen, der heuer auch die Kampfrichter-Lizenz IJF B schaffte, vor. Menschen…

  • Spittka DJB-Nationaltrainer

    Der Deutsche Judo-Bund hat einen neuen Nationaltrainer, der eine langjährige Tätigkeit in Österreich nachzuweisen hat – es ist Marko Spittka (@Judo Austria), 53, der von 2013 bis 2019 ÖJV-Bundestrainer war und zuletzt (seit 2022) in Usbekistan (unter anderen) die Weltranglisten-Erste Diyora Keldiyorova betreute, die bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris Japans Super-Star Uta Abe…

  • Der Teddy, den alle purzeln sehen wollen

    Da kämpfen etliche Weltklasse-Judoka (zu denen wir im letzten Teil der Serie „Unser Team für Tokio“ auch den Wiener Stephan Hegyi vom SC Hakoah zählen wollen) um die Medaillen, doch alles spricht nur über einen Mann – über den Franzosen Teddy Riner, den zweimaligen Olympiasieger und 10-fachen Weltmeister, der im Schwergewicht der absolute Star ist….